Wusstest du, dass sich die meisten Elternpaare trennen, wenn das erste Kind ungefähr 3 bis 4 Jahre alt ist? Ging oder geht es dir auch so wie mir, und vielen anderen auch, dass gerade das erste Jahr mit Baby besonders herausfordernd ist? Das ist auch klar, denn da gibt es jetzt auf einem Mal ein kleines Bündel das permanent jemand nötig hat, um seine/ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Und so passiert es oft, dass sich die Beziehungskrise zwischen Eltern ganz langsam einschleicht. Doch es ist nicht nur die drohende Trennung die es so wichtig macht, dass wir Eltern in unsere Paarbeziehung investieren.

MEINE GESCHICHTE

Bevor wir eine Familie wurden, waren mein Mann und ich immer zusammen, wenn wir nicht gerade in der Uni waren oder arbeiten gingen. Gemeinsam auf Festivals zu fahren, auf dem Sofa zusammen Musik zu hören, oder mit der Kamera bewaffnet Städtetrips oder Spaziergänge zu machen hat uns ungemein verbunden. Wir haben diesen speziellen Humor, den oft nur wir beide lustig finden. Aber das ist absolut okay für uns.

Dann überraschte uns Tochter Nummer eins und ich denke bereits in der Schwangerschaft veränderte sich unsere Beziehung. Ich war gerne Schwanger, aber je beschwerlicher es wurde, desto wehleidiger und genervter war ich.
Klar gab es solche Tage vorher auch. Niemand hat immer gute Laune und wir konnten damit gut umgehen. Aber diesmal war die Phase ausgedehnter und er konnte daran ja auch nicht wirklich etwas ändern. Rückblickend würde ich sagen, dass ich mich selbst wahrscheinlich nicht gut ertragen konnte und manchmal frage ich mich, wie er das ausgehalten hat.

Als das Baby dann da war, war alles anders. Wir waren bis über beide Ohren wieder frisch verliebt – in einen anderen Menschen: das Baby.
Wir trösteten, kuschelten, umsorgten und spielten mit dem Baby. In jeder freien Minute. Wenn der eine das Baby hatte, machte der andere den Haushalt, kümmerte sich um den Hund oder versuchte irgendwie den Schlafmangel wieder einigermaßen auszugleichen. Zwischen Windeln wechseln und Augenringen blieb wenig Zeit für liebe Gesten. Beim Betreten des Schlafzimmers, mit dem Blick auf den Wäscheberg, gab es eher rollende Augen, als verliebte Blicke.

Und da die Familie weit weg war und da ja auch noch die Arbeit und das Studium waren, blieb wenig Zeit für uns als Paar. Wir waren ein wirklich gutes Elternteam, und wir wussten ganz tief in uns drin, dass es noch vieles gab, das uns verband. Wenn wir uns ansahen, sahen wir ein Zuhause, sicher und warm. Aber den Blick füreinander als Paar zu behalten, war wirklich nicht leicht.

Vor ein paar Wochen waren wir das erste Mal seit zwei Jahren wieder für ein paar Tage nur zu zweit unterwegs. Die Kinder blieben bei den Großeltern und wir machten als Paar Hamburg unsicher.
Wir gingen abends gemeinsam essen und unterhielten uns, ohne ständig von zwei kleinen ständig plappernden Mündern unterbrochen zu werden.
Wir bummelten durch die Straßen, ohne dass sich irgendwer beschwerte und auf den Arm wollte.
Und wenn wir Händchen hielten, dann miteinander und nicht mit den Kids. Ja, wir probierten gemeinsam sogar etwas Neues aus: wir fuhren (halsbrecherisch) mit diesen E-Scootern durch die Straßen.
Abends gingen wir Freunde besuchen, ohne auf die Uhr zu schauen und aßen danach noch spät Abends Chips. Im Bett. Vor dem FERNSEHER!

Wie so ein kinderloses Paar eben.

Wir genossen das Wochenende in allen Zügen. Natürlich vermissten wir die Kinder, aber es tat auch verdammt gut zu spüren, dass da noch etwas ist, dass uns außer dem Eltern sein, noch verbindet.

NUR NOCH ELTERN UND KEIN PAAR MEHR

Aber wenn das alles doch so hervorragend ist, warum tun wir Eltern so etwas nicht viel öfter?

Paar- und Familientherapeuten, Bindungsforscher und Psychologen sind sich ziemlich einig, dass der Umbruch, den wir mit erleben wenn wir Eltern werden, ein echtes Risiko für die Paarbeziehung ist.

Eine Studie hat herausgefunden, dass sich die meisten Paare nach drei bis vier Jahren Eltern-Dasein trennen. Besonders das erste Jahr mit Baby soll laut Statista für Paare eine starke Belastungsprobe sein.

Wenn du diese Phase bereits durchgemacht hast, weißt du wahrscheinlich so gut wie ich, dass diese Statistik absolut recht hat. Die erste Zeit mit Baby verändert uns als Paar.

Und das hat nicht nur etwas mit der Zeit zu tun, die Eltern als Paar nicht mehr so wirklich haben:

  • es mangelt an Zeit für Selbstfürsorge und Schlaf und wenn meine Akkus leer sind bin ich gereizt und das führt zu Streit;
  • aus der anfänglichen Partnerliebe (ich gebe dir, weil ich dich liebe) wird schnell eine Partnerschaft (ich gebe dir und habe ein Recht darauf im Gegenzug etwas von dir zu bekommen), damit der Alltagsstress bewältigt werden kann;
  • das neue Leben mit Baby oder auch das Temperament des Babys erfüllt nicht die Erwartungen und macht das Elternpaar hilflos;
  • die Kommunikation dreht sich mehr darum den Alltag zu organisieren und weniger darum Interesse für den anderen und Gemeinsamkeiten zu legen;
  • durch das neue Familienleben kommen viele Entbehrungen dazu, z.B. Treffen mit Freunden, das Ausleben von Hobbys oder auch berufliches kürzertreten;
  • Fürsorge und Zärtlichkeiten werden eher dem Baby entgegen gebracht und die Intimität mit dem Partner oder der Partnerin steht hinten an;
  • Probleme mit Finanzen, der restlichen Familie (z.B. Schwiegereltern), auf der Arbeit, oder auch Zukunftssorgen erschweren zusätzlich das Familienleben
  • es kommt zu Streit, weil beide Partner meinen es besser zu wissen, wenn es um das Leben mit dem Kind geht

Die Folgen sind für die Familie ein wirkliches Risiko:

Die Eltern entfernen sich immer mehr von einander und ganz schleichend „entlieben“ sie sich.

Und wenn es so ist, ist es ein echtes Desaster, denn sind wir mal ehrlich: Wie ich richtig mit meinem Partner rede, wie wir uns als Familie organisieren usw. all das können wir reparieren und neu lernen.
Aber wenn wir einander nicht mehr lieben, dann gibt es vermutlich nicht mehr viel das zu retten ist. Wir müssen also die Beziehung pflegen, BEVOR wir uns so voneinander entfernen.

WARUM ES SO WICHTIG IST IN DIE BEZIEHUNG ZU INVESTIEREN

Natürlich geht es dabei in erster Linie darum eine Trennung zu verhindern. Aber wir wissen ja jetzt, dass eine Trennung in den meisten Fällen nicht völlig überraschend kommt, sondern schleichend.

Dass ihr schon viel früher wieder, in euer Leben als Paar, Aufmerksamkeit stecken müsst hat einen noch viel wichtigeren Grund:

Die Liebesbeziehung der Eltern ist das Fundament auf dem euer Familienleben gebaut ist.

Sie ist der Ursprung eurer Familie und auch das, was sie zusammen hält und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Die Stimmung zwischen dir und deinem Partner oder deiner Partnerin beeinflusst maßgeblich die Atmosphäre in eurem Zuhause.
    Ihr streitet euch, einer von beiden oder beide fühlen sich vom anderen nicht gesehen oder wertgeschätzt und boom ständige schlechte Laune zieht in eure vier Wände. Und da unsere Kinder uns immer zum Vorbild nehmen, werden sie diese Stimmung schnell übernehmen oder versuchen die Verantwortung zu übernehmen und versuchen durch „lieb“ oder „lustig“ sein etwas an eurer Stimmung zu ändern. Das ist ein Verhalten, was wir Kindern auf keinen Fall zumuten dürfen! Gleichzeitig ist eine gute Stimmung zwischen den Eltern ein richtiger Motor für Leichtigkeit und gute Laune im Familienleben. Nutzt das!
  2. Wenn ihr eure Liebe lebt, euch Zuneigung und Wertschätzung vor den Kindern zeigt, dann vermittelt das eurem Kind Bindungssicherheit.
    Kinder haben sehr feine Antennen und können drohende Trennung oft schon viel früher fühlen. Die Angst dass sich die Eltern trennen belastet die Kinder so sehr, dass sie Schwierigkeiten haben werden offen für Neues zu sein ( Bindungs-Explorationswippe). Das zeigt sich dann auch oft in der Schule. Kommt es zu einer Trennung steht das Kind plötzlich zwischen zwei Stühlen und fühlt sich verantwortlich oder sogar schuldig. Egal wie gut ihr auch getrennt als Elternteam funktioniert, euer Kind wird immer einen Teil seiner Bindungssicherheit einbüßen. Auf der anderen Seite festigt eure Liebe zueinander das Urvertrauen eures Kindes. Euer Kind merkt, dass das Band zwischen zwei Menschen existiert und Konflikte aushält. Das ist ein wunderbares Geschenk das ihr eurem Kind mitgeben könnt.
  3. Eure Liebe zueinander stärkt euch auch in der Rolle als Eltern.
    Ihr unterstützt euch, weil ihr euch liebt und einander wichtig seid. Das stärkt das Band zwischen euch und ihr nehmt zeitgleich Rücksicht auf einander. Ihr stärkt euch den Rücken und entlastet einander, sodass ihr beide mehr Energie habt, wenn mal wieder Phasen anstehen in denen Konflikte oder andere Probleme auftreten. Sorgen ums Kind, die Existenz oder Schlafmangel lassen sich besser bewältigen, wenn wir wissen, dass da jemand ist, der das Ganze mit uns teilt. Studien haben außerdem belegt, dass einzelne Elternteile viel lieber am Familienleben teilnehmen, wenn sie sich vom Partner geliebt fühlen.
  4. Die Liebe gleicht Meinungsverschiedenheiten und Konflikte besser aus.
    Sie macht dass wir eher bereit dazu sind Kompromisse zu finden und Verständnis für den Partner aufzubringen. Denn es ist gar nicht so wichtig, dass ihr immer einer Meinung seid. Euer Kind lernt so viel eher, dass Konflikte zum Leben dazu gehören und können sich direkt von euch abschauen, wie sie Konflikte so lösen können, dass sich niemand schlecht fühlen muss.
  5. Eure Liebe zueinander ist das Vorbild für euer Kind wie Partnerschaften funktionieren.
    Euer Kind lernt so, wie Eltern miteinander umgehen, sich wertschätzen, Aufgaben teilen und gemeinsam den Alltag bewältigen. Wenn du also möchtest, dass dein Kind später einmal eine liebevolle und geborgene Beziehung erlebt und sich nicht mit weniger zufrieden geben will, dann legt ihr als Eltern nun den Grundstein dafür.
  6. Die Beziehung zwischen euch als Eltern zu pflegen, schützt euch davor überfürsorglich mit eurem Kind umzugehen.
    Damit meine ich nicht, dass ihr euer Kind auf diese Weise nicht verwöhnt, sondern euren Fokus so auch mal weg vom Kind und hin zu euch als Paar legt. So lernt euer Kind euch auch noch in einer anderen Rolle kennen: nämlich als Mann und/oder Frau.
    Wenn ihr Zeit nur für euch als Paar einfordert, dann lernt euer Kind noch weitere Grenzen und Bedürfnisse an euch kennen. Dadurch fühlt euer Kind nicht die Verantwortung und den Druck, dass sich alles nur auf ihn/sie konzentriert.
    Dazu kommt: Kinder die häufig im Mittelpunkt stehen haben das Gefühl die Familie leiten zu müssen, was ein viel zu großer Druck für ein Kind ist. Sollte das passieren kann es zu Verhaltensauffälligkeiten kommen. Auf der anderen Seite kann euer Kind so besser flügge werden, weil sie nicht das Gefühl haben, dass ihre Eltern nichts mehr haben, wenn sie ausziehen.

UND NUN?

Du merkst also gerade sicher: Wenn ihr als Eltern Zeit und Aufmerksamkeit in eure Beziehung als Paar investiert, dann kommt das nicht nur eurer Partnerschaft, sondern auch euch selbst und vor allem eurem Kind zugute. Es ist also ein Gewinn für euch alle.

Deshalb: Hab beim nächsten Mal kein schlechtes Gewissen, wenn dir der Abend mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin wichtiger ist, als die fünfte Gute-Nacht-Geschichte am Bett deines Kindes.
Versuche mit dem selben Elan einen Abend nur für euch zwei in eure Woche zu integrieren, wie du dich darum kümmern würdest, dass dein Kind regelmäßig am Tanzkurs oder Handballtraining teilnehmen kann.

Du investierst hier nicht nur in einen gemütlichen, freien Abend.
Du investierst in das Fundament eures Familienlebens und die Entwicklung eures Kindes.

DENKZETTEL

Überlege doch einmal wann ihr das letzte Mal zusammen etwas zu zweit unternommen habt. Erinnert euch gemeinsam daran wie es sich angefühlt hat während ihr zusammen wart und was das in der kommenden Zeit mit euch gemacht hat.

Überlegt gemeinsam was ihr dafür nötig hättet, damit das regelmäßiger stattfinden kann. Und denkt daran, dass es mindestens genauso wichtig ist, wie die U-Untersuchung beim Kinderarzt oder der Vereinssport des Kindes.

Was liest du an deinem Partner bzw. deiner Partnerin? Schreib es mir hier in die Kommentare und erinnere dich.

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